Samstag, 25. September 2010

Ein Fuchs, der Eier legt?

Was halten Sie von einem Fuchs, der den Schwanz zwischen den Beinen hindurch an den Bauch klemmt, sich damit Gras und Laub in seine Höhle schleppt, davon ein tiefes weiches Nest baut und dort Eier legt? Oder was halten Sie von einem Fuchs, der pro Tag einige Stunden auf dem Grund des Flusses nach Nahrung taucht, sich vorher aber Augen, Nase, Ohren fest verschließt und trotzdem reichlich Beute findet? – Die Vorstellung finden Sie absurd? Ich nicht.
Allerdings bin ich kein Fuchs, obwohl mein Pelz nicht minder schön und weich ist als der seine! Aber die Größe stimmt nicht ganz. Ich messe nur einen knappen halben Meter vom Kopf bis zur Schwanzspitze. Höhlen grabe ich aber auch, nur befinden sie sich immer in einer Uferböschung. Dort verschlafe ich fast den ganzen Tag. Nur selten aale ich mich, meinen Pelz hingebungsvoll mit der Hinterkralle durchkämmend, in der Sonne. Sie sehen schon, eigentlich ähnele ich dem Fuchs nur von fern.

Mischling als Original
Ich habe aber dafür Ähnlichkeiten mit vielen anderen Tieren. Wenn Sie von daher auf Verwandtschaft schließen wollen, bitte schön! Mein Schwanz sieht aus wie der eines Bibers. Die »Giftzähne« an den Hinterpfoten meines Gatten könnten von einer Viper sein. Die Schwimmhäute zwischen unseren Zehen könnten wir von Fröschen haben und den Schnabel von einer Ente. Letzteres ist übrigens eines unserer wichtigsten Organe – nicht nur wegen des Futters. Ihm verdanke ich meinen Namen: Schnabeltier. Ich lege Eier wie ein Vogel, gebe meinen Jungen aber Milch wie eine Katze. Ich kann schwimmen wie ein Fisch und graben wie ein Maulwurf.

Kein Platz im Stammbaum
Ja, Sie haben recht! Wenn man mich betrachtet, könnte man schon etwas durcheinander kommen. Wo gehören wir denn nun hin – zu den Fischen oder Vögeln, zu den Säugern oder zu den Schlangen? Schließlich haben wir von jedem etwas aufzuweisen. Manche Wissenschaftler behaupten, wir seien eine 150 Millionen Jahre alte Übergangsform zwischen Reptilien und Säugetieren, die nicht so richtig fertig geworden ist. Für das Alter bin ich aber ziemlich modern, finden Sie nicht auch? Die Wissenschaftler, die sich mit mir beschäftigt haben, waren überrascht von meiner supermodernen Ausrüstung und meinen exzellenten Fähigkeiten. Sie können sich das bei einem »so alten« Lebewesen nicht erklären und sind unsicher, an welchen Ast des Stammbaums sie mich hängen sollen. Von solchem Hängen halte ich aber nichts. Ich gehöre in gar keinen Stammbaum, sondern ich betrachte mich als Meisterwerk eines phantasiereichen Künstlers: Gott. Und ich weiß, dass ich nicht die einzige seiner bemerkenswerten Schöpfungen bin. Sie selbst sind ebenso aus seiner Hand hervorgegangen.

In Europa unbekannt
Bis zum 19. Jahrhundert waren wir in Europa völlig unbekannt. Als erste Nachrichten von uns durchdrangen, weigerten sich Wissenschaftler, an die Existenz eines solchen Unikums zu glauben. Sie fürchteten, auf einen Betrug hereinzufallen und vermuteten eher, dass da jemand mit großem Geschick einen Lederschnabel und Schwimmfüße an dem Torso eines Bibers befestigt hätte. Doch uns gibt es wirklich. Wir stammen aus dem östlichen Australien und fühlen uns dort in solchen Strömen und Lagunen zu Hause, wo es noch frisches Wasser gibt.
Ich gestehe schon: Ich hab’s den Forschern schwer gemacht. Wer mich sehen wollte, musste mir bei Nacht ins Wasser folgen. Dort habe ich im Trüben gefischt – mit geschlossenen Augen. Wenn er mich überhaupt zu Gesicht bekam, sah er, wie ich jedes Hindernis geschickt umschwamm, zielsicher auf Garnelen und andere wirbellose Tierchen zuschoss und sie in meinen Backentaschen verstaute. Von außerhalb konnte er dann beobachten, wie ich mit vollen Taschen auftauchte, sie nach und nach ins Maul entleerte und gemütlich auffraß. Auf diese Weise kann ich täglich soviel fressen, wie mein halbes Körpergewicht ausmacht. Können Sie sich vorstellen, wie viel Sie dann täglich an Nahrung zu sich nehmen müssten?

Ein faszinierender Schnabel
Schließlich kam einer von den Forschern auf die Idee, meinen Schnabel genauer zu untersuchen und stellte fest, dass seine weiche Oberfläche mit Tausenden von kleinsten Löchlein gespickt ist. In jede dieser Öffnungen hat mein Schöpfer einen winzigen Ventilstößel eingebaut, der mit einem empfindsamen Nerv gekoppelt ist. Dadurch werden die Tastreize sofort ans Gehirn gesendet, und ich kann stärker reagieren als bei einem Reiz, der von meinen Augen, Ohren oder sonst einem Körperteil kommt. Wenn ich aber nur diese Mechanorezeptoren hätte (wie Wissenschaftler die Reizempfänger nennen), müsste ich unter Wasser erst einmal an jedes Hindernis anstoßen, bevor ich reagieren könnte. Das ist aber nicht der Fall. Die Forscher hatten große Mühe, diesem Geheimnis des Schöpfers auf die Spur zu kommen.
Mein wunderbarer HERR hat zwischen die Tastreiz-Empfänger auf meinem Schnabel eine ganze Menge ähnlicher Gebilde gestreut, die auf elektrische Reize reagieren. Diese Sensoren sind von gewissen Drüsen abhängig, die einen Schleim absondern und deshalb nur unter Wasser funktionieren. Dazu kommen noch spezielle Nervenenden, die ebenfalls auf schwache elektrische Ströme reagieren.
Glauben Sie wirklich, dass solche Raffinessen das Ergebnis von Zufall und Notwendigkeit sind, von Mutation und Selektion oder wie die klugen Wörter sonst noch heißen, die ja nur umschreiben, dass alles irgendwie von selbst entstanden sein soll? Nach meiner Beobachtung bringt der Zufall nichts Bedeutsames zustande, die Mutation fast ausschließlich Dinge, die schädlich für den Organismus sind, und die Selektion wählt sowieso nur aus Vorhandenem aus. Es wird also gar nichts Neues hervorgebracht.
Während des Schwimmens schwinge ich meinen Schnabel zwei- bis dreimal in der Sekunde hin und her. So bekomme ich die feinsten elektrischen Impulse mit, die von den Krebsen und anderem Kleingetier ausgehen und kann sofort auf sie losstürmen.

Ein Thermoanzug zum Tauchen
Eine andere meiner bemerkenswerten Spezialitäten ist die Fähigkeit, meine Körpertemperatur zu regulieren. Ich brauche ja auch im Winter Futter und muss jeden Tage für einige Stunden ins eisige Wasser. Kein anderes Tier würde das so lange aushalten. Mein Schöpfer hat mich aber mit einem haarigen Taucheranzug ausgestattet, der besser gegen Kälte isoliert als das Fell des Eisbären. Außerdem kann ich meine Stoffwechselrate erheblich verändern, sodass auch nach einigen Stunden im eisigen Wasser von annähernd Null Grad Celsius meine Körpertemperatur immer noch 32 Grad beträgt.

Ein gefährliches Gift
Jedes männliche Schnabeltier bekam vom Schöpfer einen bis zu anderthalb Zentimeter großen hohlen Sporn an den Hinterfüßen, der ein starkes Gift enthält. Eine solche Giftspritze ist im ganzen Reich der Säugetiere völlig unbekannt. Das Gift wird von einer im Oberschenkel sitzenden Drüse produziert. Wozu es aber da ist, wissen Ihre Wissenschaftler immer noch nicht so richtig. Die scharfen, nach innen gerichteten Sporne verwendet mein Partner im Kampf mit seinen Geschlechtsgenossen, um unser Revier zu verteidigen.
Das Gift ist sehr stark. Ein Hund stirbt in kurzer Zeit, wenn er mit dem Sporn verletzt wird und zwar an Atem- und Herzstillstand. Ich habe von einem Wissenschaftler gehört, der das Gift in der geringen Dosis von 0,05 Milliliter (1 ml = 1 cm³) an sich selbst testete. Er spritzte es in seinen Unterarm und berichtete später von rasenden Schmerzen.

Mit Schwanz und Füßen
So wie der Schöpfer dem Kamel die Höcker gab, schenkte er mir meinen flachen Schwanz. Als Fettspeicher ist das ein ausgezeichneter Treibstofftank. Außerdem dient er mir beim Schwimmen und Tauchen als Ruder. Und wenn ich an Land bin, kann ich ihn zwischen den Beinen hindurch an den Bauch drücken und damit allerlei nützliche Dinge in meinen Bau schleppen.
Schwimmhäute sind zwar nichts Besonderes, gibt es sie doch auch bei Landtieren und Vögeln. Bei mir aber ist das doch eine besondere Raffinesse: An Land nützen Schwimmflossen bekanntlich wenig. Sie sind eher im Weg und stören beim Laufen. Ich kann sie aber nach innen wegklappen und mit den so freigelegten Fußkrallen bestens laufen, klettern und graben. Meine Wohnung pflege ich nämlich in die steile Uferböschung zu bauen. Dabei mache ich die Eingangsröhren so eng, dass die Wände mir beim Einfahren das Wasser aus dem Pelz pressen. Sie werden doch zugeben: eine praktische Einrichtung.

Eier legen und Junge säugen
Noch etwas: Wenn die Zeit der Paarung für uns gekommen ist, packt das Männchen meinen Schwanz ganz sacht mit seinem Schnabel, und dann schwimmen wir einige Tage lang Tandem im Kreis. Das ist unser Werbe-Ritual. Inzwischen wandern einige vier Millimeter große Eier in meinen linken Eileiter. Dort werden sie von den Samenzellen meines Gatten befruchtet und bekommen eine erste weiche Hülle als Schutz. Die Eier (es sind höchstens drei) wandern dann in meine Gebärmutter, wo sie eine zweite Hülle bekommen. Haben sie dann eine Größe von zwölf Millimetern erreicht, bekommen sie ihre dritte und letzte Umhüllung. Durch diese erstaunlichen Hüllen hindurch werden meine Jungen in der ersten Zeit ernährt – und das ohne Nabelschnur.
Für meinen Nachwuchs gibt es nun aber keinen extra Ausgang. Die zwei oder drei Eier werden durch jene Öffnung hinausgeschoben, die sonst für die Exkremente bestimmt ist. Deswegen ist auch der dreifache Schutz erforderlich. Die klebrigen Eier landen auf meinen Bauch, und ich drücke sogleich den wärmenden Schwanz dagegen. So brüte ich meine Jungen aus.
Auf dem Oberkiefer ließ der Schöpfer meinen Kleinen inzwischen einen winzigen Eizahn wachsen, mit dem sie die weiche, gummiartige Schale aufreißen können. Mein umgeklappter Schwanz hält sie immer noch auf meinem Bauch fest. Zwei Tage später kann ich sie dann mit Milch versorgen. Aber stellen Sie sich vor, ich habe keine Brustwarzen. Die Milch tritt aus einem Milchfeld aus und läuft auf mein Fell. Dort heraus schlürfen meine Jungen sie mit ihren weichen Schnäbelchen.
Übrigens ist meine Milch erstaunlich eisenhaltig (der Eisengehalt ist 60-mal größer als der von Kuhmilch). Das hat der Schöpfer so eingerichtet, weil er wusste, dass die Leber meiner Jungen noch zu klein ist, um einen ausreichenden Vorrat an Eisen speichern zu können.
Bei allem sehen Sie schon: Ich bin kein Urvieh, an dem die Zeit vorüberging. Mein Schöpfer rüstete mich perfekt für das Leben in jener Gegend an der Ostküste Australiens aus, wo ich so gern zu Hause bin.

Quelle: Wenn Tiere reden könnten Autor: Prof. Dr.-Ing. Werner Gitt u. Karl-Heinz Vanheiden

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