Samstag, 8. Januar 2011

Stephen Hawking und Gott

Professor John C. Lennox, Oxford

In seinem neuesten Buch, „Der große Entwurf – Eine neue Erklärung des Universums“ stellt der berühmteste aller Physiker, Stephen Hawking (zusammen mit seinem Koautor Leonard Mlodinow) den Glauben an die göttliche Erschaffung des Universums infrage. Ihm zufolge liefern die Gesetze der Physik, nicht der Wille Gottes, die wirkliche Erklärung dafür, wie das Leben auf der Erde entstand. Der Urknall, argumentiert er, sei die unausweichliche Konsequenz aus diesen Gesetzen: „Weil es ein Gesetz wie das der Schwerkraft gibt, kann und wird das Universum sich selbst aus dem Nichts erschaffen.“

Hawking behauptet: „Spontane Schöpfung ist der Grund dafür, dass es etwas gibt und nicht nichts, dass das Universum existiert, dass wir existieren.“ Die Folge: „Es ist nicht nötig, einen Gott heraufzubeschwören, der das blaue Zündpapier in Brand und das Universum in Gang setzt.“

Hawkings Argument ist keineswegs neu. Wissenschaftler stellen schon seit vielen Jahren ähnliche Behauptungen auf, nach denen die überwältigende Komplexität der Welt durch die ausschließliche Bezugnahme auf den Grundstoff des Universums (Masse/Energie) oder auf physikalische Gesetze wie die Schwerkraft erklärt werden kann.

In seinem Buch finde ich eine Reihe von Missverständnissen, die durch logische Fehlschlüsse verstärkt werden. Erstens ist Hawkings Gottesbegriff unzulänglich. Nach den oben zitierten Aussagen scheint er sich Gott als einen „Lückenbüßergott“ zu denken, der immer dann zur Erklärung herbeigezogen wird, wenn wir keine wissenschaftliche Erklärung für etwas haben – daher die Schlussfolgerung, die Physik lasse keinen Raum mehr für Gott, da sie den letzten Ort beseitigt habe, wo er hätte zu finden sein können – den Moment der Schöpfung.

Doch das entspricht keineswegs dem Glauben der großen monotheistischen Religionen. Für sie ist Gott nicht nur bei der Schöpfung zu finden; er ist der Urheber schlechthin. Gott hat das Universum geschaffen, und er erhält es beständig im Dasein. Ohne ihn gäbe es für die Physiker nichts zu studieren. Gott ist der Schöpfer sowohl der Teile des Universums, die wir nicht verstehen, als auch der Teile, die wir verstehen. Und natürlich sind es gerade die Teile, die wir verstehen, die uns die stärksten Hinweise auf Gottes Existenz und sein Handeln liefern. So wie ich das Genie hinter einem technischen oder künstlerischen Werk um so mehr bewundern kann, je besser ich es verstehe, so nimmt auch meine Verehrung des Schöpfers zu, je besser ich verstehe, was er getan hat.

Dass nicht nur Hawkings Gottesbegriff, sondern auch sein Verständnis von Philosophie unzulänglich ist, zeigt sich, wenn er uns auffordert, uns zwischen Gott und den Gesetzen der Physik zu entscheiden. Hier vermischt er zwei völlig unterschiedliche Dinge: physikalische Gesetzmäßigkeit und persönliches Handeln. Das sind falsche Alternativen! Es handelt sich hier um einen klassischen Kategorienfehler. Seine Aufforderung, zwischen der Physik und Gott zu wählen, ist ebenso offenkundig absurd wie die Aufforderung, sich entweder für die physikalischen Gesetze oder für den Luftfahrtingenieur Sir Frank Whittle zu entscheiden, wenn man den Düsenantrieb erklären will. 

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Quelle: Institut für Glaube und Wissenschaft

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